Lokalredaktion
Pressemitteilung Konzertkritik
Die Farben eines musikalischen Regenbogens zauberte ObertonArt am Samstag abend in die St. Jürgenkirche.
Wer sich auf die ungewohnten Töne einließ, spürte schon bald ihre entspannende Wirkung, die ihren spirituellen Charakter im Kirchenschiff entfaltete. Wie der Übergang in eine andere Welt mutete die Einstimmung durch den Chor von der Empore aus an. Töne breiteten sich schwebend im Kirchenschiff aus, umhüllten die zahlreichen Besucher. Gongs und Glöckchen begleiteten den Einzug.
Wann immer ein Ton erklingt sei es von einem Musikinstrumente oder einer menschlichen Stimme hören wir nicht nur einen einzelnen Ton, sondern in Wirklichkeit einen ganzen Klang. Dieser Klang setzt sich zusammen aus einem kräftigen Grundton und unzähligen weiteren Tönen, die etwas leiser über dem Grundton mitschwingen die Obertöne. Sie erst verleihen dem Ton eine individuelle Klangfarbe.
Wohl nicht zufällig hatte Thomas Schmöckel als Konzertraum eine Kirche gewählt. Das Singen der "Melodie eines einzelnen Tones" besitzt in vielen östlichen Kulturen eine lange Tradition. Selbst wenn Obertonmusik uns gelegentlich noch exotisch anmutet, hat sie doch ihre Wurzeln auch in der europäischen Musikkultur. Die frühe westliche Musikkultur war grundtonorientiert und auf ein Zentrum ausgerichtet: das Lob Gottes durch den Menschen. Ein Beispiel hierfür findet sich in den gregorianischen Chorälen. Und Pythagoras entwickelte als Grundprinzip alles Seienden die harmonikalen Weltgesetze, den Zusammenhang von Zahl und Harmonie, abgeleitet aus der Obertonreihe.
In den 60er Jahren kam das Obertonsingen als Verbindung zwischen Musik und Meditation von Amerika nach Europa. Seit 10 Jahren gewinnt dieses "lauschende Singen" auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung. ObertonArt ist der einzige Chor dieses Genres in Norddeutschland. Der Leiter des Chores, Thomas Schmöckel, verfügt über 14 Jahre Obertongesangserfahrung, die er in einem Solo auf eindrucksvolle Weise demonstrierte. Einer mystischen Flöte gleich schwebten seine Obertöne über dem Grundton, anfangs kräftig und ausdrucksstark, später zart und verhalten, um sich zum Ende leise im Raum zu verlieren. Die meisterhafte Darbietung belohnten die Zuschauer mit einem spontanen Applaus.
Zwei Klangreisen, in denen die Mitglieder des Chores Beispiele ihrer intensiven Auseinandersetzung mit den Obertönen gaben,umrahmten einen weiteren Höhepunkt des Konzertes. Auf drei Paiste-Gongs entführte Thomas Schmöckel die Zuhörer abermals in eine andere Welt. Passend zur Jahreszeit hatte er Gongs in einer Stimmung des Elementes Erde gewählt. Obwohl er dem getriebenen Metall nur verhaltene Töne wegen der Lautstärke - entlockte, war zu erleben, wie sich im Herbst alles Leben zurückgezogen hat, aber gleichzeitig eine ungeheure Kraft bewahrend, die explodierend ein neues Erwachen der Natur im Frühling bewirkt. Weiter ging es hinaus in sphärische Kühle ein blauer Planet im Eise verharrend. Kirchenglocken gleichende Töne mahnten an das Sterben im Winter.
Und auch bei diesem Konzert die Aufforderung an die Zuhörer durch "Mittönen" die eigene Hörwahrnehmbarkeit zu erweitern "auf Elefantenohren", wie Schmöckel ausführte. Das Ende gestaltete wiederum der Chor, bei dem die einzelnen Chormitglieder in einem Stimmwechsel auch solistisch hervortraten. StimmWechsel ist auch der Titel der ersten CD von ObertonArt, die mit diesem Konzert vorgestellt wurde.
Barbara Fürst